Schriften des Hl.Paulus




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Kennenlernen
Fragen wir also nicht nur: Wer war Paulus? Fragen wir vor allem: Wer ist Paulus? Was sagt er mir?
Predigt bei der Vesper zur Eröffnung des Paulusjahres in Sankt Paul vor den Mauern, 28. Juni 2008



"Leide mit mir für das Evangelium"
Ans Ende [der Predigt] möchte ich ein spätes Wort des hl. Paulus stellen, eine Zuruf an Timotheus vom Gefängnis her im Angesicht des Todes. "Leide mit mir für das Evangelium", sagt der Apostel zu seinem Schüler (2 Tim 1,8) [...] Der Auftrag zur Verkündigung und die Berufung zum Leiden für Christus gehören untrennbar zusammen. Die Berufung zum Lehrer der Völker ist zugleich und in sich selbst eine Berufung zum Leiden in der Gemeinschaft mit Christus, der uns durch sein Leiden erlöst hat. Die Wahrheit kostet Leiden in einer Welt, in der die Lüge Macht hat. Wer dem Leiden ausweichen, es von sich fernhalten will, der weicht dem Leben und seiner Grösse selber aus; er kann nicht Diener der Wahrheit und so des Glaubens sein. Liebe gibt es nicht ohne Leid - ohne das Leid des Verzichts auf sich selbst, der Umwandlung und Reinigung des Ich in die wahre Freiheit hinein. Wo nichts ist, das des Leidens wert wäre, da verliert auch das Leben selbst seinen Wert. Die Eucharistie - die Mitte unseres Christseins - beruht auf der Hingabe Jesu Christi für uns, sie ist aus der Passion der Liebe geboren, die im Kreuz ihren Höhepunkt fand. Von dieser sich schenkenden Liebe leben wir. Sie gibt uns den Mut und die Kraft, mit Christus und für ihn in dieser Welt zu leiden, wissend, dass gerade so unser Leben gross und reif und wahr wird. Aus allen Briefen des hl. Paulus sehen wir, wie sich in seinem Weg als Lehrer der Völker die Vorhersage erfüllt hat, die in der Stunde seiner Berufung an Hananias ergangen war: "Ich werde ihm zeigen wieviel er für meinen Namen leiden muss". Sein Leiden beglaubigt ihn als Lehrer der Wahrheit, der nicht seinen Gewinn, seinen Ruhm, seine eigene Erfüllung sucht, sondern für den einsteht, der uns alle geliebt und sich für uns hingegeben hat.
Predigt bei der Vesper zur Eröffnung des Paulusjahres in Sankt Paul vor den Mauern, 28. Juni 2008



Christus wird mit den seinen ein Geist
"Wisst ihr nicht, dass eure Leiber Glieder Christi sind?" schreibt Paulus an die Korinther (1 Kor 6,15). Er fügt hinzu: Wie Mann und Frau nach der Genesis miteinander ein Fleisch werden, so wird Christus mit den Seinen ein Geist. Das heisst ein einziges Subjekt in der neuen Welt der Auferstehung (1 Kor 6,16ff.). In alledem scheint das eucharistische Geheimnis durch, in dem Christus immerfort seinen Leib schenkt und uns zu seinem Leib macht: "Ist das Brot, das wir brechen, nicht Teilhabe am Leib Christi? Ein Brot ist es. Darum sind wir viele ein Lieb; denn wir alle haben teil an dem einen Brot" (Kor 10,16f.).Mit diesem Wort redet uns in dieser Stunde nicht nur Paulus, sondern der Herr selber an: Wie konntet ihr meinen Leib zerreissen? Vor dem Angesicht Christi wird dieses Wort zugleich zur dringlichen Bitte: Führe uns zusammen aus allen Trennungen. Lass es heute neu Wirklichkeit werden: ein Brot ist es. Darum sind wir viele ein Leib. Das Wort von der Kirche als Leib Christi ist für Paulus nicht irgendein beliebiger Vergleich. Es geht weit über einen Vergleich hinaus. "Warum verfolgst du mich? " Immerfort zieht uns Christus in seinen Leib hinein, baut seinen Leib von der eucharistischen Mitte her auf die für Paulus Zentrum christlicher Existenz ist, von der aus alle und jeder einzelne ganz persönlich erfahren darf: Er hat mich geliebt und sich für mich dahingegeben.
Predigt bei der Vesper zur Eröffnung des Paulusjahres in Sankt Paul vor den Mauern, 28. Juni 2008



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Gerecht ist alles was Christus gleichgestaltet ist
Über die Versammlung in Jerusalem berichtet auch der hl. Paulus in Gal 2,1_10: 14 Jahre nach seiner Begegnung mit dem Auferstandenen vor Damaskus - wir befinden uns in der zweiten Hälfte der vierziger Jahre - bricht Paulus zusammen mit Barnabas von Antiochia in Syrien auf und lässt sich von Titus, seinem treuen Mitarbeiter begleiten, der griechischer Herkunft war und nicht gezwungen worden war, sich beim Eintritt in die Kirche beschneiden zu lassen. Bei dieser Gelegenheit legt Paulus den Zwölf, die als die "Angesehenen" bezeichnet werden, sein Evangelium der Freiheit vom Gesetz dar (vgl. Gal 2,6). Im Licht der Begegnung mit dem auferstandenen Christus hatte er verstanden, dass für die Heiden im Augenblick ihres Übertritts zum Evangelium Jesu Christi die Beschneidung, die Speise- und Sabbatvorschriften als Zeichen der Gerechtigkeit nicht mehr notwendig waren; Christus ist unsere Gerechtigkeit, und "gerecht" ist alles, was ihm gleichgestaltet ist. Es bedarf keiner weiteren Zeichen, um gerecht zu sein.
Generalaudienz, 1. Oktober 2008



Christliche Freiheit ist Angleichung an Christus
Wie aus den Briefen des hl. Paulus klar hervorgeht, ist die christliche Freiheit jedoch niemals mit Zügellosigkeit oder willkürlichem Handeln gleichzusetzen; sie verwirklicht sich in der Angleichung an Christus und daher im wahren Dienst für die Brüder, vor allem für die Bedürftigsten. Deshalb schliesst der Bericht des Paulus über die Versammlung mit der Erinnerung an die Ermahnung der Apostel an sie: "Nur sollten wir an ihre Armen denken; und das zu tun, habe ich mich eifrig bemüht" (Gal 2,10).
Generalaudienz, 1. Oktober 2008



Eine Geste des Teilens
Wir sind vielleicht nicht mehr imstande, die Bedeutung, die Paulus und seine Gemeinden dem Sammeln von Geld für die Armen von Jerusalem beimassen, voll zu begreifen, es handelte sich um eine im Gesamtbild der religiösen Aktivitäten völlig neue Initiative: sie war nicht verpflichtend, sondern freiwillig und spontan, alle von Paulus im Westen gegründeten Kirchen nahmen daran teil. Die Geldsammlung war Ausdruck der Bringschuld ihrer Gemeinden für die Mutterkirche in Palästina, von der sie das unfassbare Geschenk des Evangeliums erhalten hatten. Die Bedeutung, die Paulus dieser Geste des Teilens beimisst, ist so gross, dass er sie nicht einfach "Geldsammeln" nennt; für ihn ist es vielmehr "Dienst", "Segen", "Liebe", "Gnade", ja "Liturgie" (vgl. 2 Kor 9).
Generalaudienz, 1. Oktober 2008



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Die Liebe zu den Armen ist Liturgie
Die Bedeutung, die Paulus dieser Geste des Teilens beimisst, ist so gross, dass er sie nicht einfach "Geldsammeln" nennt; für ihn ist es vielmehr "Dienst", "Segen", "Liebe", "Gnade", ja "Liturgie" (vgl. 2 Kor 9). Besonders überrascht dieser letztgenannte Begriff, der dem Sammeln von Geld auch einen kultischen Wert zuerkennt: Es ist einerseits liturgischer Gestus oder "Dienst", der von jeder Gemeinde Gott dargebracht wird, und andererseits eine für das Volk vollzogene Handlung der Liebe, Liebe zu den Armen und göttliche Liturgie gehören zusammen, die Liebe zu den Armen ist Liturgie.
Generalaudienz, 1. Oktober 2008



Jesus ist heute mit uns
Der hl. Paulus denkt nicht als Historiker an Jesus, gleichsam als eine Person der Vergangenheit. Er kennt gewiss die grosse Überlieferung über das Leben, die Worte, den Tod und die Auferstehung Jesu, behandelt dies alles aber nicht als Sache der Vergangenheit; er stellt es als Wirklichkeit des lebendigen Jesus vor. Die Worte und Taten Jesu gehören für Paulus nicht zur historischen Zeit, zur Vergangenheit. Jesus lebt jetzt und spricht jetzt mit uns und er lebt für uns. Das ist die Wahre Art und Weise, Jesus zu kennen und die Überlieferung über ihn anzunehmen. Auch wir müssen lernen, Jesus nicht nach dem Fleisch zu kennen, als eine Person der Vergangenheit, sondern als unseren Herrn und Bruder, der heute mit uns ist und uns zeigt, wie wir leben und sterben sollen.
Generalaudienz, 8. Oktober 2008



Nur die göttliche Weisheit ist wahr
Indem er sich dann auf die eigenen Erfahrung bezieht, erinnert Paulus die Korinther daran, dass Christus ihn gesandt hat, das Evangelium zu verkünden, „aber nicht mit gewandten und klugen Worten, damit das Kreuz Christi nicht um seine Kraft gebracht wird“ (1,17). Hier hebt eine Überlegung, über die „Weisheit des Kreuzes“ an, das heisst über die Weisheit Gottes, die der Weisheit dieser Welt entgegensteht. Der Apostel betont die Verschiedenheit zwischen diesen beiden Formen der Weisheit, von denen nur eine, die göttliche, wahr ist. Während die andere in Wirklichkeit „Torheit“ ist. Nun, die erstaunliche Neuheit, die immer wieder neu entdeckt und gehört werden muss, besteht in der Tatsache, dass die göttliche Weisheit uns in Christus geschenkt worden ist, dass sie uns in ihm mitgeteilt worden ist.
Ansprache nach Eucharistiefeier für die kirchlichen Universitäten Roms, 30. Oktober 2008



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Weise werden vor Gott
Die „Weisen“ von denen Jesus spricht, sind diejenigen, die Paulus als „Wortführer in dieser Welt“ bezeichnet, während die „Unmündigen“ diejenigen sind, die der Apostel „töricht“, „schwach“, „niedrig in der Welt“ und „verachtet“ nennt (1. Kor 1, 27-28), die jedoch in Wirklichkeit, wenn sie „das Wort vom Kreuz“ (1,18) annehmen, die wahren Weisen werden. Das geht so weit, dass Paulus diejenigen, die sich für weise in der Welt halten, dazu auffordert, „töricht“ zu werden, um wirklich weise zu werden vor Gott (3,18). Das ist keine anti-intellektuelle Einstellung. Kein Widerspruch zur „recta ratio“. Paulus widersetzt sich - indem er Jesus folgt – jeder Form von intellektuellem Hochmut, in dem der Mensch, auch wenn er viel weiss, das Gefühl für die Wahrheit verliert sowie die Bereitschaft, sich der Neuheit des göttlichen Handelns zu öffnen.
Ansprache nach Eucharistiefeier für die kirchlichen Universitäten Roms, 30. Oktober 2008



Das Gift des Hochmuts
Der Apostel weist […] auf das Gift der falschen Weisheit hin, das der menschliche Hochmut ist. So ist es nicht die Erkenntnis selbst, die schlecht ist, sondern die Anmassung, das „Angeben“ mit dem, was man an Erkenntnis erreicht hat – oder meint, geschafft zu haben. Gerade hieraus ergeben sich dann die Parteilichkeiten und die Zwietracht in der Kirche und auf analoge Weise in der Gesellschaft. Es geht also darum, nicht die Weisheit nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist zu pflegen. Wir wissen, dass der Hl. Paulus sich mit den Worten „Fleisch, fleischlich“ nicht auf den Leib bezieht, sondern auf eine Art und Weise, nur für sich selbst und nach den Massstäben der Welt zu leben. Daher ist es nach Paulus stets notwendig, das eigene Herz vom Gift des Hochmuts zu reinigen, das in jedem von uns steckt. Auch wir müssen also mit dem heiligen Paulus ausrufen: „Wer wird mich erretten?“ (Röm 7,24). Und auch wir müssen mit ihm die Antwort empfangen: die Gnade Jesu Christi, die der Vater uns durch den Heiligen Geist geschenkt hat (vgl. Röm 7,25).
Ansprache nach Eucharistiefeier für die kirchlichen Universitäten Roms, 30. Oktober 2008


Gerecht durch Glauben an Jesus Christus
Rechtfertigung heisst für den Apostel [Paulus]: der Mensch wird gerecht vor Gott und so wirklich gerecht durch den Glauben, durch den Glauben an Jesus Christus. Beim Damaskusereignis hat Paulus begriffen, dass gegenüber der Erkenntnis Christi alles, was ihm vorher wichtig war, ein Verlust, ja geradezu „Unrat“ war.- Christus wurde für ihn zum Leben schlechthin. Diese persönliche Bindung an den Auferstandenen Herrn brachte Paulus in unüberbrückbaren Gegensatz zu jeder Form einer selbstgemachten Gerechtigkeit. „Der Mensch“, sagt er, „wird nicht durch Werke des Gesetztes gerecht, sondern durch den Glauben an Jesus Christus“ (Gal 2,16), der vom Kreuz das neue Leben durch den Geist schenkt. Das Kreuz Christi ist und bleibt die unerschöpfliche Quelle der Rechtfertigung, die ein ungeschuldeter Akt Gottes ist. bild Die menschlichen Werke können dem nichts hinzufügen. Aber das Gesetz ist nicht aufgehoben; es hat sein Ziel erreicht und im Liebesgebot seine Erfüllung gefunden. Denn Gerechtigkeit durch Glaube steht nicht gegen die Liebe, im Gegenteil: an Christus glauben heisst, an die Liebe glauben, so dass Glauben an ihn bedeutet, dass er uns in seine Liebe hineinzieht, zu Mit-Liebenden mit ihm macht. Glaube wirkt in der Liebe, sagt der Hl. Paulus im Galaterbrief. Und so ist der Glaube, der uns mit Christus und seiner Liebe eint, die volle Gerechtigkeit, in der das ganze Gesetz gegenwärtig und erfüllt ist.
Generalaudienz, 19. November 2008